In Zukunft keine Likes mehr auf Instagram?
Instagram testet gerade in einigen Ländern eine Version, in der die Anzahl der Likes für andere User nicht sichtbar ist.
Das „Daumen hoch“-Emoticon ist schon sehr lange als Symbol für Facebook etabliert. Es steht für genau das, was Facebook mehr ausmacht, als die Präsentation reiner Steckbriefe von Nutzern. Daumen hoch steht für „gefällt mir“ und nur um diesen Zuspruch scheint es heute noch zu gehen.
Was für Facebook der Daumen ist, ist für Instagram das Herz. Ende April 2012 kaufte Facebook-Chef Mark Zuckerberg die App und schnell wurde diese zur Herzensangelegenheit.
Den Inhalt zurück in den Mittelpunkt rücken
Seit einiger Zeit ist aber klar: Es kommt zwar nicht gänzlich zum Herzstillstand, aber der Fokus soll wieder auf das Gehirn der Anwendung gelenkt werden. Das heißt, es soll nicht mehr um wund gedrückte Herz-Buttons, sondern wieder um den eigentlichen Inhalt gehen.
Social Media ist mehr als das Bekunden von Gefallen. Die inflationäre Nutzung von Likes ist nämlich mit einem bitteren Beigeschmack konnotiert, dem nun entgegengewirkt werden soll. Das Herz wird zwar nicht abgeschafft, aber die Sichtbarkeit der erhaltenen Anzahl wird eingeschränkt.
Warum ist das Thema “Likes” aktuell?
Instagram testet Profile mit eingeschränkter Like-Sichtbarkeit und das nun auch in Europa. Das Herz unter den Fotos kann nach wie vor betätigt werden, aber die Anzahl der erhaltenen Likes soll nicht mehr für Follower und solche, die es werden könnten, sichtbar sein. Lediglich der Inhaber eines Profils kann unter den eigenen Bildern sehen, wie oft dessen Fotos geherzt worden sind. Außenstehenden wird nur noch angezeigt, wem ein Bild gefallen hat. Das heißt, die entsprechenden Profilnamen werden noch eingeblendet. Die nackten Zahlen jedoch entfallen.
Bislang lief die neue Version in sechs Ländern: Australien, Brasilien, Kanada, Irland, Italien und Neuseeland. Betroffen waren aber nicht alle dort angemeldeten Accounts, sondern nur einige.
Jetzt soll die Neuerung aber auf alle registrierten Nutzerkonten dieser sechs Länder ausgeweitet werden – und für einige Profile in Deutschland fällt der Startschuss.
In den besagten Ländern seien die Rückmeldungen positiv gewesen. Da es sich aber um eine grundlegende Änderung handele, solle noch mehr Feedback gesammelt werden, hieß es von Seiten der Verantwortlichen.
Welche Hintergründe hat die Aktion?
Wenn nicht nur einem, sondern mehreren Usern ein Beitrag gefällt, dann hagelt es Herzchen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass das der Psyche zuträglich ist: Endorphine werden ausgeschüttet. Zunehmend ist der Eindruck entstanden, dass es beinahe nur noch darum geht, Bilder zu veröffentlichen, die gefallen. Mitglieder setzen sich in Szene, gern auch mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen, die im Selfie-Zeitalter fast schon zum Standard gehören. Fotos sind längst keine dem Zufall überlassenen Schnappschüsse mehr. Mode, Schönheit und selbst das Essen der zahlreichen Food-Blogger erscheint im perfektionierten Licht. Filter machen es möglich. Hier und da werden Silhouetten begradigt, Körperteile künstlich dem ästhetischen Empfinden des Mainstreams angepasst, der Teint wird ausgebessert und das alles eben nicht mehr nur just for fun, sondern im ehrgeizigen Kampf um Zuspruch.
Das Streben nach (unrealistischer) Perfektion
Da ist die Kehrseite der Medaille, dass die Messlatte immer höher gesetzt wird: Follower wollen bedient werden für die Vergabe der begehrten Herzchen.
Wer setzt sich nur in Szene und wer inszeniert sich schon? Diese Verzerrung der Realität reicht inzwischen sogar so weit, dass ganze Alltagssituationen gekonnt für ein taugliches Foto abgepasst werden. Hier hat sich eine Unterwelt in der App ihren Weg ans Licht gebahnt, die in Form von Konkurrenz und Wettbewerb Formen annimmt und so nicht vorgesehen war. Denn die Schattenseiten liegen auf der Hand.
Bilder, die dem eigenen Empfinden nach nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten haben, werden möglicherweise gelöscht und dabei war es einst Sinn und Zweck des Ganzen, dass jeder User sich frei entfalten sollte und zwar entweder im privaten oder im öffentlichen Bereich.
Hoher Druck und psychische Gefährdung
Noch dunkler wird der Schatten, wenn es um Nutzer geht, die verzweifelt auf zahlreichen Zuspruch hoffen, aber eben keinen erhalten. Keine Aufmerksamkeit zu erhalten gibt in Zeiten wie diesen nicht selten Anlass zu Selbstzweifeln und Anreiz dazu, Realität mehr und mehr zu künsteln. Denn beliebt ist, wer möglichst viele virtuelle Anhänger hat, die obendrein Likes und am besten auch noch nette Kommentare verteilen. Es liegt daher auf der Hand, dass gerade Teenager hier einer psychischen Gefährdung ausgesetzt sind. Der Versuch, sogenannten Influencern nachzueifern, kann prinzipiell nur scheitern.
Influencer können, aber müssen nicht unbedingt zuvor bereits prominente Menschen sein. Sie können auch durch ihre Beiträge derart beliebt geworden sein, dass sie Anhängerzahlen bis in den Millionenbereich haben. Eine solche Reichweite hat nicht lange nach der Möglichkeit geschrien, Geld mit Werbung zu verdienen.
Das wiederum öffnete einen Schwarzmarkt für den Kauf von virtuellen Zuschauern und Likes, damit der nächste Werbe-Deal in greifbare Nähe rückt.
Alles dreht sich nur noch um numerische Erkennungsmarken, die Druck, Zwang, Konkurrenz und Wettbewerb auslösen und ausblenden, worum es eigentlich geht: Content.